Seit Washoku, die traditionelle Japanische Küche, vor zweieinhalb Jahren zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt wurde erlangt sie immer größeres weltweites Interesse. Kernstück von dem Washoku-Gedanken ist eine gesunde, ausgewogene Küche die fast schon religiös den Jahreszeiten und den Jahreszeit bedingten Ereignissen folgt. Washoku ist eine Jahrtausend alte kulinarische Tradition die auch heute noch überall in Japan praktiziert wird.
Die Japaner haben sogar ein eigenes Wort für die Saisonalität Ihrer Lebensmittel: Shun. Shun bedeutet soviel wie in der Hauptsaison und beschreibt den Gipfel des Genusses, wenn Aromen und Nährwerte Spitzenwerte haben. Stellt Euch vor, Ihr beißt in eine tiefrote, pralle, saftig-süße Erdbeere die den ganzen Mund mit ihrem unvergleichbaren Geschmack vom herannahenden Sommer füllt. Das ist Shun.
Leider gehört zum Gipfel des Genusses auch immer ein Anfang und ein Ende, die in Japan zu einer weiteren Unterteilung der Jahreszeiten geführt haben: Hashri und Nagori. Hashiri sind Produkte am Anfang der Saison oder auch ganz kurz davor. In der Regel kleiner, nicht ganz so aromatisch dafür aber sehr teuer. Nagori beschreibt dann das Ende der Saison.
Zurück zu unseren Erdbeeren. Hashiri bedeutet rennen und bezeichnet damit das Ergattern der ersten, erntefrischen, heimischen Erdbeeren. Die Erinnerung an die fruchtige, saftige Süße vom letzten Jahr ist so präsent als sei es gestern erst gewesen und verführt dazu die ersten heimischen Erdbeeren zu kaufen, obwohl sie teilweise weiß, klein und sauer sind. Zu groß ist die Vorfreude auf das was schon ganz bald kommt.
Mitte Juni dann, wenn die Erdbeeren auf den Märkten überreif, schnell matschig und bei genauer Betrachtung gar nicht mehr so wundervoll sind, ist Nagori erreicht. Das Ende der Saison. Aber es muss noch mal ein letztes Körbchen sein. Ein letztes Mal dieser Geschmack, weil das Ende unmittelbar bevorsteht. Weil es die letzte Möglichkeit ist, den Mund noch einmal mit dieser verführerischen süßen Saftigkeit zu füllen, bevor man für ein ganzes Jahr auf Wiedersehen sagen muss.
Es verwundert nicht, dass in einem formalen Kaiseki-Menü auch alle diese Sub-Jahreszeiten ihren Platz haben (müssen). Und so komponiert der Koch ein kunstvoll angerichtetes Feuerwerk für alle Sinne in denen alle fünf Farben, alle fünf Zubereitungsmethoden, alle fünf Geschmäcker und Produkte aus allen drei Sub-Jahreszeiten zu einer komplex Sinfonie verschmelzen.