Der Frühling in Japan, namentlich die Kirschblüte, ist endlich in voller Pracht eingekehrt. Das Land liegt unter einer Decke aus zarten weißen und pinkfarbenen Blüten und es hält keinen mehr drinnen. In Tokio hat es fast den Anschein dass genau so viele Japaner unter den Bäumen picknicken wie Blüten an den Zweigen sind. Jedes Jahr wieder. Und jedes Jahr wieder werden Unmengen an Fotos gemacht. Von den ersten Blüten, von den in voller Blüte stehend Bäumen, von der Familie unter den Kirschblüten, Selfies… als ob es das Erste, das Einzige oder letzte Mal wäre. Und natürlich ist jetzt dann Hochsaison on für gesalzene Kirschblüten. Fantastisch geeignet für Sakura Gohan (Kirschblüten-Reis). Aber es gibt noch mehr Verwendungen für gesalzene Kirschblüten: Bei Hochzeiten werden sie häufig als Sakura Yu (mit heißem Wasser aufgegossene Kirschblüten) getrunken, da dem grünen Tee eine Klatsch und Tratsch fördernde Wirkung nachgesagt wird. Um den versammelten Gästen freundlich zu verstehen zu geben, dass sie am Tag der Hochzeit ihre Meinung über das Brautpaar für sich zu behalten haben wird Ihnen Sakura Yu anstelle von günem Tee gereicht.
Ein Päckchen gesalzene Kirschblüten sind daher ein nettes Mitbringsel zur nächsten Hochzeit.
Seit Washoku, die traditionelle Japanische Küche, vor zweieinhalb Jahren zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt wurde erlangt sie immer größeres weltweites Interesse. Kernstück von dem Washoku-Gedanken ist eine gesunde, ausgewogene Küche die fast schon religiös den Jahreszeiten und den Jahreszeit bedingten Ereignissen folgt. Washoku ist eine Jahrtausend alte kulinarische Tradition die auch heute noch überall in Japan praktiziert wird.
Die Japaner haben sogar ein eigenes Wort für die Saisonalität Ihrer Lebensmittel: Shun. Shun bedeutet soviel wie in der Hauptsaison und beschreibt den Gipfel des Genusses, wenn Aromen und Nährwerte Spitzenwerte haben. Stellt Euch vor, Ihr beißt in eine tiefrote, pralle, saftig-süße Erdbeere die den ganzen Mund mit ihrem unvergleichbaren Geschmack vom herannahenden Sommer füllt. Das ist Shun.
Leider gehört zum Gipfel des Genusses auch immer ein Anfang und ein Ende, die in Japan zu einer weiteren Unterteilung der Jahreszeiten geführt haben: Hashri und Nagori. Hashiri sind Produkte am Anfang der Saison oder auch ganz kurz davor. In der Regel kleiner, nicht ganz so aromatisch dafür aber sehr teuer. Nagori beschreibt dann das Ende der Saison.
Zurück zu unseren Erdbeeren. Hashiri bedeutet rennen und bezeichnet damit das Ergattern der ersten, erntefrischen, heimischen Erdbeeren. Die Erinnerung an die fruchtige, saftige Süße vom letzten Jahr ist so präsent als sei es gestern erst gewesen und verführt dazu die ersten heimischen Erdbeeren zu kaufen, obwohl sie teilweise weiß, klein und sauer sind. Zu groß ist die Vorfreude auf das was schon ganz bald kommt.
Mitte Juni dann, wenn die Erdbeeren auf den Märkten überreif, schnell matschig und bei genauer Betrachtung gar nicht mehr so wundervoll sind, ist Nagori erreicht. Das Ende der Saison. Aber es muss noch mal ein letztes Körbchen sein. Ein letztes Mal dieser Geschmack, weil das Ende unmittelbar bevorsteht. Weil es die letzte Möglichkeit ist, den Mund noch einmal mit dieser verführerischen süßen Saftigkeit zu füllen, bevor man für ein ganzes Jahr auf Wiedersehen sagen muss.
Es verwundert nicht, dass in einem formalen Kaiseki-Menü auch alle diese Sub-Jahreszeiten ihren Platz haben (müssen). Und so komponiert der Koch ein kunstvoll angerichtetes Feuerwerk für alle Sinne in denen alle fünf Farben, alle fünf Zubereitungsmethoden, alle fünf Geschmäcker und Produkte aus allen drei Sub-Jahreszeiten zu einer komplex Sinfonie verschmelzen.
Sake in all seinen Facetten, Güteklassen, Regeln und mehr noch den ganzen Ausnahmen selbiger zu verstehen ist oft nicht ganz so einfach. Schwer zu entziffernde Etiketten tragen dann auch noch Ihren Teil dazu bei und wirken mehr abschreckend als einladend. Dabei braucht es am Anfang eigentlich gar nicht viel um den Sake-Genuss nicht dem Zufall zu überlassen.
Und um genau dieses ‚gar nicht viel’ geht es hier. Nicht um alle Details und Ausnahmen, nicht um das komplette Sake-Know-how, sondern um ein paar essentielle Informationen, die helfen am Ende einen leckeren Tropfen zu genießen. Nach und nach berichte ich über anderes und mehr ‚gar nicht viel’ um Sake besser verstehen und auswählen zu können. Wer nichts verpassen möchte kann alle Neuigkeiten im wöchentlichen Newsletter erhalten.
Für den Moment aber geht es um das Word ‚Ginjo’. Wie hier schon erwähnt, das Wort, das man am Anfang kennen sollte. Warum ist das so? Weil die meisten Menschen anhand des Etiketts nicht sagen können, ob der Sake etwas taugt. Auch wenn es am Ende der persönliche Geschmack ist der zählt, gibt es Hinweise die helfen die Wahl nicht ganz dem Zufall zu überlassen. Und der erste dieser Hinweise ist das Wort ‚GINJO’.
Wie beim Wein gibt es Sake in mehreren Qualitätsstufen. Acht davon sind Premium-Sake, für die spezielle Gesetze und Regeln gelten (z.B. der Reis-Poliergrad). Die Top-vier dieser Premium-Sake haben alle das Wort Ginjo in ihrer Bezeichnung. Sieht man also das Wort Ginjo auf einem Etikett hat man einen guten Tropfen in der Hand. Bedeutet das nun, dass alle anderen Sake nicht oder nicht so gut sind? Auf gar keinen Fall. Es gibt wundervollen Sake der kein Ginjo ist, er ist nur etwas schwerer zu identifizieren.
Jetzt zu den Unterschieden der ‚Ginjos’:
Die oberen beiden (Daiginjo) haben (meistens) einen höheren Reis-Poliergrad als die unteren. Bei den beiden auf der linken Seite (Junmai-Typ) wurde kein Alkohol im Brauprozess zugegeben. Bei den beiden Sake-Typen auf der rechten Seite ist dies schon der Fall.
Für Sake werden vom Reis die äußeren Schichten wegpoliert um einen feineren Geschmack zu erhalten. Die Kennzahl hierfür heißt Semai Buai (Poliergrad) und bezeichnet die Menge des Reiskorns die nach dem Polieren übrig bleibt. Je kleiner die Zahl, desto mehr wurde wegpoliert. Das gesetzliche Minimum für Ginjo ist ein Poliergrad von 60% und für Daiginjo dürfen nicht mehr als 50% des Reiskorns übrig bleiben. Diese Zahlen sind aber eben nur die gesetzlichen Minimal-Anforderungen. Es kommt durchaus häufiger vor, dass ein Ginjo einen Poliergrad von 50% oder weniger hat und auch dass ein Ginjo einen kleineren Poliergrad hat als ein Daiginjo.
Der Brau-Prozess für Ginjo (und für Daiginjo sogar noch mehr) ist durch die viele Handarbeit sehr arbeitsintensiv. Die Fermentation erfolgt bei kühleren Temperaturen und dauert länger. Das Ergebnis sind komplexere, delikatere und häufig (aber natürlich nicht immer) florale und fruchtige Aromen.
Häufig wird dem Sake eine sehr geringe Menge von destilliertem Alkohol kurz vor dem Ende des Brauprozesses zugegeben. Dies erhöht auch die Haltbarkeit. Vielmehr wird es jedoch gemacht um mehr Aromen zu extrahieren, die ohne Zugabe von Alkohol weiter ihren Dornröschenschlaf schlafen würden. Die Zugabe von Alkohol bedeutet also nicht, dass ein Sake besser oder schlechter ist als einer ohne diese Zugabe. Es ist nur eine andere Brau-Methode. Junmai-Sake hat in der Regel ein eher volleren Körper mit einem Hauch mehr Säure als ein Sake mit Zugabe von Alkohol. Damit ist Junmai-Sake in der Regel eine gute Wahl als Essens-Begleiter, weil er das Potential hat gegen stärker aromatisierte Speisen ’seinen Mann zu stehen’.
Also als erster Schritt um Sake-Etiketten lesen zu können gilt es unten stehende Kanji zu kennen. Wenn man diese Kernelemente lesen kann, stellen auch in schöner aber schwer leserlicher Kalligraphie geschriebene Etiketten kein allzu großes Problem mehr dar. Dies und natürlich eine grundsätzliche Ahnung mit wie vielen Kanjis die einzelnen Typen geschrieben werden bringt einen schon recht weit.
– 吟 der ‘gin’-Teil von Ginjo
– 大 吟 Daiginjo als Spitze der Sake Pyramide besteht u.a. aus dem Dai (groß, wichtig) und dem gin für Ginjo
– 純 米 Junmai besteht aus den Kanji für ‚pur’ und ‚Reis’ und zeigt an, dass kein Alkohol im Brauprozess zugegeben wurde.
Blumen zu essen ist ja nun nichts Neues mehr. Weder in der westlichen Welt noch hier in Japan.
In der Japanischen Küche finde ich eingelegte Chrysanthemen im Herbst ganz fantastisch und kein Frühling vergeht ohne gesalzene Kirschblüten (siehe dazu auch mein letzten Post).Am Montag hatte ich dann eine weitere essbare Blüte auf meinem Teller: Pfirsich. Aber diesmal nicht die Blüte selber, sondern ein wundervoll angerichtete Blumen-Maki.
Die Blütenblätter werden aus fünf kleinen Maki-Rollen gemacht. Hierzu wird Reis mit Yukari gemischt und in Nori (geröstetes Algenblatt) eingerollt. Diese fünf Rollen werden dann um einen blanchierten grünen Spargel in Blütenform drapiert. Eingebettet in Suhi-Reis der außen noch einmal mit Nori umwickelt wird ergibt sich dann eine große Maki-Rolle, von der man mit einem feuchten (!) Messer dünne, appetitliche Scheiben abschneiden kann.
Frühling in Japan ist magisch. Ab Mitte März bis Ende April oder manchmal auch Anfang Mai wird das Land von einer zart rosa gefärbten Blütendecke eingehüll, die auch schon Wochen vorher das dominierende Thema ist.
Von überall her kommen jedes Jahr Tausende von Menschen, die hoffen die Faszination selber mitzuerleben.Für dieses Jahr ist der Sakura-Beginn (Beginn der Kirschblüte) in Tokio für den 23. März vorhergesagt. Damit stehen aller Voraussicht nach die Bäume zwischen dem 30. März und dem 07. April in voller Blüte, bevor sie fast genauso schnell wie sie sich geöffnet haben wieder verblühen und wie Schnee zu Boden fallen.
In Vorfreude habe ich mir diese Woche einen Kirschblüten-Joghurt gekauft. Ebenfalls habe ich schon mal ein frisches Päckchen gesalzene Kirschblüten von Tomizawa erworben, die ich für das traditionelle Hanami Picknick (Picknick unter den Kirschblüten) verwenden werde. Wer nach Tokio kommt sollte nicht verpassen sich ein Päckchen (oder zwei oder drei) mitzunehmen (hier gibt es mehr Informationen zu Tomizawa). Sie halten sich schon fast ewig und sind ebenso fantastisch als i-Tüpfelchen auf einem perfekt gegrillten Steak.
Bei uns zu Hause steht Pink gerade hoch im Kurs. Nicht nur ist es mit Abstand die Lieblingsfarbe meiner zweiten Tochter, mit drei Mädchen wird Hina Matsuri quasi ja schon zur Massenveranstaltung. Hina Matsuri ist in Japan der Tag der Mädchen, der am 3. März gefeiert wird. Gleichzeitig ist der 3. März auch Momo no Sekku (Pfirsich Fest), denn im März beginnen die Pfirsichbäume ihre pinkfarbenen Blüten zur Schau zu stellen.
Und so sind der Odairi-sama (Kaiser) und die Ohina-sama (Kaiserin) auch bei uns eingezogen. Allerdings als einfache Wanddekoration und ohne Hofstaat. Odairi-sama und Ohina-sama sind die zwei Hina Ningyo Puppen, die immer ab Mitte Februar bei Familien mit Töchtern zur Schau gestellt werden. Typischerweise auf dem Hinadon. Das ist ein ein-, drei, fünf- oder sieben-stufiges, mit rotem Teppich bezogenes Podest, auf dem bis zu 15 Hina Ningyo Puppen sowie Dinge des früher täglichen Lebens (z.B. Teeservice, Sake-Becher, Samurai-Schwert etc.) dekoriert werden, denn die Hina Matsuri-Tradition datiert zurück bis zur Heian Periode (794-1185). Seit dieser Zeit werden die Puppen als Wärter des Glücks und der Gesundheit von Mädchen angesehen.
Gefeiert wird Hina Matsuri traditionell in der Familie und hat ein bisschen was von Cinderella. Es ist wichtig die Puppen vor Mitternacht wieder zu verstauen, da der (Aber-) Glaube besagt, dass die Mädchen ansonsten später heiraten. Bei uns läuten morgen ab 23:00 drei (!) Wecker. Sicher ist sicher. Denn einmal haben wir schon gepatzt.
Hina Ningyo Puppen sind übrigens kein Spielzeug für kleine Mädchen. Traditionell sind es wertvolle, detailgenaue Handwerksstücke aus hochwertigen Lackarbeiten, besetzt mit echter Goldfolie. Ein drei-stufiger Hinadon mit fünf Puppen kostet im Durchschnitt dann gerne um die 2.000€.
Eine der berühmtesten Ausstellungen in Tokio für Hina Ningyo Puppen befindet sich im alten Nebengebäude des Meguro Gajoen Hotels (dieses Jahr noch bis zum 6. März). Es zeigt jedes Jahr über 500 Hina Ningyo Puppen in seinen sieben alten Banketträumen die über 100 Stufen zu erreichen und für Besucher durchnummeriert sind. Im allseits beliebten Tokyu Hands-Kaufhaus weisen die Treppenstufen wenigstens die kumulierte Anzahl der Kalorien auf die man verbraucht hat um sie zu erklimmen, aber das führt an dieser Stelle zu weit.
Natürlich gibt es auch traditionelle Speisen und Getränke wenn Hina Matsuri in der Familie gefeiert wird. Dazu gehören unter anderem Hishimochi, Hina arare und Shirozake.
Hishimochi sind Rautenförmige Mochi (Reiskuchen) in pink, weiß und grün. Die Farben stehen für die pink-farbenen Pfirsichblüten, den weißen Schnee des schwindenden Winters und das Grün für das neue, frische Treiben der Natur im Frühling.
Hina arare ist pink, weiß, grüner und gelber Puffreis, manchmal auch mit Zucker überzogen. Seine Herkunft ist nicht ganz eindeutig. Die Theorie besagt aber, dass ursprünglich mal Mitte/Ende Februar Puffreis-Bällchen aus den übriggebliebenen Reiskuchen von Neujahr (Oshogatsu) gemacht wurden, wodurch die Verbindung zu Hina Matsuri kam. Vor dem Hintergrund, dass in der Japanischen Küche nichts verschwendet wird macht diese Theorie auch durchaus Sinn. Hina arare wurden damit auch zum Symbol für die Sparsamkeit einer guten Ehefrau.
Weiß, ungefiltert und süß kommt Shirozake daher. Technisch gesehen ist es aber kein echter Sake und darf auch nicht als Nihonshu oder Seishu (gesetzlicher Ausdruck für Sake) verkauft werden. Hergestellt wird er aus Reis, Koji (Pilz zur Herstellung von Sake) und Shochu (Japanischer Reis-Liquor). Wegen seiner Süße und des geringen Alkoholgehaltes (8-9%) wird er als Getränk für Frauen angesehen, auch wenn diese bei seiner Entstehung (ca. 1600-1650) eigentlich keinen Sake getrunken haben. In jedem Fall ergänzt seine weiße Farbe das Rot (Pink) des Hinadon und der Pfirsichblüten zu den traditionellen rot-weißen Festfarben für Glück und Freude.